Hier findet ihr einige ausgewählte Artikel meines Blogs "Weber widerspricht"


Wie eine Taschenlampe die Welt rettete

18.3.2022, Kiew - Emcell Medical Center:

Yegor liegt auf dem Operationstisch. Er wurde schwer verletzt, als eine Rakete das Haus traf, indem er sich im Keller vor den Angriffen versteckte. Die Ärzte kämpfen gerade um sein Leben, als mal wieder der Strom ausfällt. Der operierende Arzt setzt sich eine Stirnlampe auf, die ihm helfende Krankenschwester hält eine Taschenlampe auf die offene Wunde. Die Operation wird fortgesetzt, Yegor überlebt.

19.5.1967, irgendwo vor der vietnamesischen Küste:

Kampfpilot Cpt. Charles Plumb startet gerade mit seiner F4 Phantom von dem Flugzeugträger USS Kitty Hawk zu seiner 75. Mission im Vietnamkrieg. Kurz darauf wird sein Flugzeug getroffen und Plumb rettet sich mit dem Schleudersitz. Er landet sicher mit seinem Fallschirm, wird aber von den Vietcong gefangen genommen und gerät für sechs Jahre in Kriegsgefangenschaft in Hanoi.

Viele Jahre später sitzt Charles Plumb mit seiner Frau in einem Café in Kansas City, als ein Mann vom Nebentisch aufsteht und auf ihn zukommt. „Sie sind doch Cpt. Plumb. Sie wurden 1967 über Vietnam abgeschossen.“

Plumb war erstaunt und fragte den Mann, woher er ihn kennt und von seinem Absturz weiß. Der Mann antwortet: „Ich war ebenfalls auf der Kitty Hawk. Ich habe damals Ihren Fallschirm gepackt.“

Die Geschichte mit Charles Plumb hat sich genauso zugetragen. Er hat viele Jahre nach seinem Abschuss, den Mann getroffen, dem er sein Leben zu verdanken hat. Einen Mann, den er vielleicht öfter an Bord des Schiffes getroffen, aber nie gegrüßt hat. Er war schließlich ein Pilot und der Mann bloß ein einfacher Matrose. Aber dieser Matrose saß irgendwo tief unter Deck des Schiffes an einem Tisch und packte gewissenhaft den Fallschirm für Charles Plumb. Den Fallschirm, der ihm das Leben retten sollte. Ein einfacher Matrose, ein stiller Held.

Wir werden vermutlich nie in die Situation kommen, Fallschirme zu packen. Aber wir können, so wie der Matrose an Bord der USS Kitty Hawk, zu stillen Helden werden.

So viele Menschen packen gerade keine Fallschirme, sondern Pakete oder Tüten voller Spenden für die Menschen in der Ukraine.

Immer wieder höre ich von diesen Menschen Sätze wie „Es ist ja nicht viel“ oder „Das ist doch das Mindeste, was man tun kann“. In Wahrheit ist es aber nicht „nicht viel“ oder „das Mindeste“, sondern ihr packt damit im übertragenen Sinne für jemanden in Not einen lebenswichtigen Fallschirm.

Ihr könnt mit eurer Spende nicht die Welt retten. Aber vielleicht könnt ihr damit die Welt von Jemanden in der Ukraine retten.

Vielleicht war es eure gespendete Stirnlampe, die sich der Arzt in Kiew während der Operation aufsetzte.

Vielleicht wurde von euren gespendeten 10 Euro eine Taschenlampe gekauft, die nun im Emcell Center Yegor das Leben rettete.

Vielleicht sind die von dir gespendeten Batterien jetzt in einem Funkgerät, welches ukrainische Soldaten vor einem sich nähernden russischen Panzer warnt.

Vielleicht konnte eine Mutter mit eurer Powerbank ihr Handy laden und eine sichere Route aus einer belagerten Stadt finden.

Vielleicht war euer Gläschen mit Brei das erste Essen seit zwei Tagen für ein Kleinkind auf der Flucht.

Die warme Jacke, die Windeln oder das Mehl… das sind die „Fallschirme“, welche die Menschen gerade brauchen. Und wir können sie ihnen packen.

Charles Plumb wird niemals den Matrosen vergessen, der seinen Fallschirm packte und so werden auch die Menschen in der Ukraine niemals vergessen, dass es Menschen gab, die Mitleid hatten und nicht wegsahen.

 

Und auch wenn wir vermutlich niemals die Menschen treffen werden, denen wir einen „Fallschirm“ gepackt haben, weißt du, dass du es getan hast. Und damit bist ein stiller Held!


Das Holocaust-Denkmal

Als wir in der Ukraine zwischen Ustyluh und Wolodymyr unterwegs waren, konnte man von der Straße aus das Holocaust-Denkmal sehen.

Es gab früher eine große jüdische Gemeinde in Wolodymyr. 1942 wurde die Stadt von der deutschen Armee eingenommen und alle 15.000 Juden der Stadt ermordet. Das war fast die Hälfte der Einwohner Wolodymyrs.

Die Deutschen haben großes Leid über diese Stadt gebracht.

80 Jahre später konnten wir Hilfsgüter aus Deutschland in die Stadt bringen und den Menschen dort helfen und Solidarität zeigen.

Schön, dass sich unser Land weiterentwickelt hat und die Ukrainer vergeben können.

Als Deutscher möchte ich Freund und Helfer für andere Nationen sein. In der Ukraine konnte ich das. Dafür bin ich dankbar.

Die Menschen dort und auch die Frauen in unseren Bussen haben sich immer wieder bei uns bedankt. Aber ich fühle mich nicht, als müsste sich irgendwer bei mir bedanken. Ganz im Gegenteil. Ich hatte immer den Eindruck, als müsse ich Danke sagen.

Dafür, dass es mir und meiner Familie so gut geht, dass ich anderen Menschen helfen kann.

Danken, dass man sich wieder daran erinnert, was im Leben wichtig und unwichtig ist.

Dass man wieder Demut lernt und Dinge nicht als selbstverständlich ansieht.

 

Ein gutes Leben ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Man kann dankbar dafür sein. Aber ein erfülltes Leben wird man erst dann führen, wenn man sich aus dieser privilegierten Position heraus - in welcher die meisten von uns hier in Deutschland leben - für andere Menschen einsetzt, denen es schlechter geht. Egal, ob in Deutschland oder der Ukraine. 


Corona - beugst du dich der Krone?

Tödliche Viren, Bargeld-Abschaffung, Zwangsimpfungen, Mikrochips und soziale Isolation.

Wer aktuell durch Facebook scrollt wird zwangsläufig über diese Themen stolpern.

Diese Situation rund um Corona ist neu für uns, für uns Alle. Egal ob man Politiker, Arzt oder Gastronom ist, sowas haben wir noch nicht erlebt.

Verständlich, dass uns Corona und die Auswirkungen auf unseren Alltag beschäftigen. Einige nehmen es mit Humor, andere haben Angst, manche macht es aggressiv.

Ich weiß nicht, wie es dir gerade geht, ob du die Nase voll hast von sozialer Distanz, ob du Angst um deinen Job hast oder Angst um deine Gesundheit.

Ich weiß nicht, ob du Corona für eine Lüge hältst, für eine Waffe oder für eine harmlose Grippe.

Ich weiß nicht, ob du das für den Anfang vom Ende hältst oder für eine kurzzeitige spannende Erfahrung.

Ich weiß nicht, ob Schweden besser reagiert als Deutschland.

Ich weiß nicht, welcher Experte nun Recht hat, der der warnt oder der der relativiert.

Ich weiß nicht, ob Bill Gates uns alle retten oder alle töten will.

Ich weiß nur, dass ich Vieles nicht weiß.

Und ich glaube, den meisten Menschen geht es so.

Wozu das führt, sehen wir aktuell hier auf Facebook. Unterschiedlichste Meinungen prallen aufeinander, Verschwörungstheorien werden verbreitet, man hält die jeweils andere Meinung für dumm oder naiv.

Menschen beschimpfen sich, lachen sich gegenseitig aus oder bemitleiden den jeweils anderen für seine Naivität, weil man an ein Virus glaubt oder eben nicht.

Wer am Ende Recht hatte, wissen wir vielleicht irgendwann. Oder auch nicht.

Doch selbst, wenn du die ganze Wahrheit kennen würdest, könntest du etwas daran ändern? Vermutlich nicht.

Und trotzdem beschäftigen wir uns ständig mit diesen Themen. Und so hat Corona Macht über uns, egal ob wir es für eine Erfindung oder einen tödlichen Virus halten.

Der Name „Corona“ sagt es aber doch schon. Corona ist spanisch und bedeutet Krone.

Neben der königlichen Kopfbedeckung bedeutet „Krone“ ein durch einen König repräsentiertes Herrscherhaus.

Das passt doch ganz gut. Corona beherrscht uns ja tatsächlich aktuell - wenn wir es zulassen.

Aber jetzt kommst du ins Spiel. Jetzt beginnt nämlich der Teil, den du ändern kannst.

Corona und die damit verbundenen Maßnahmen kannst du nicht ändern. Aber du kannst entscheiden, wieviel Macht du der Situation über dich gibst. Du allein entscheidest nämlich darüber, ob Corona, ob Bill Gates oder Zahlung ohne Bargeld Macht über deine Gedanken haben, Macht über deine Gefühle und Macht über deinen Umgang mit deinen Mitmenschen.

Ich vermisse es auch, Gottesdienst zu besuchen, finde es schade, dass ich kein Fußball oder Formel 1 gucken kann, würde gerne wieder mit Freuden in den Biergarten gehen. Aber ob ich deswegen wütend oder traurig bin, entscheide ich selbst. Corona mag Einfluss auf meinen Alltag haben, aber nicht auf meinen Charakter.

Corona ist ein Virus, aber kein „Herrscherhaus“. Du entscheidest, vor welcher Krone du dich beugst.

Als Christ erkenne ich die Krone Jesu an. Vor ihm beuge ich mich. Er ist meine Konstante und mein Trost. Er ist größer als jedes Virus oder jede politische Maßnahme. Das kann mir niemand nehmen.

Ich weiß nicht, ob du gläubig bist oder nicht. So oder so, du entscheidest, welcher Krone du dich beugst und wer dich kontrolliert.

Familie, Freunde, Liebe, Hoffnung, Glaube, Nachbarschaftshilfe, Solidarität - all dies ist größer als Corona.

Lass dich von diesen Dingen leiten, nicht von deiner Angst oder der Suche nach Wissen.

Konzentriere dich auf Dinge, die du in der Hand hast und die du beeinflussen kannst. Investiere deine Zeit in deine Familie, statt in die Recherche danach, ob Bill Gates nun gut oder böse ist. Hilf anderen und säe Positives, statt dich in den Sumpf des Internets zu verlieren.

Keiner von uns kennt die Zukunft. Vielleicht ist Corona bald besiegt und wir leben unbeschwert für viele Jahrzehnte in Ruhe und Frieden. Vielleicht geht aber schon nächste Woche die Welt unter. Wir wissen es nicht.

Egal was kommt, warum sollten wir die Zeit nicht einfach nutzen, um ein Segen für andere zu sein, positive Gedanken zu haben, zu hoffen statt zu bangen und Gutes zu bewirken?

 

Du entscheidest, welcher Krone du dich beugst.


Übers Klima

Alle reden übers Klima. Nach den Flüchtlingen und dem Diesel haben wir endlich wieder ein richtig schönes Streitthema.

Und es ist gut, dass wir drüber reden. Gut, dass wir drüber diskutieren und streiten. Man darf nämlich darüber streiten, ob Schüler bloß blau machen oder die Welt retten. Man darf drüber streiten, ob Geländewagen Klimakiller oder nützliche Familienautos sind. Nur bitte sachlich. Ohne Ideologien und ohne den Klimaschutz zu verteufeln oder ihn zur Religion zu erheben.

Was mich aber wirklich wundert ist, dass wir nur über das Erdklima diskutieren. Warum reden wir eigentlich nie über das Klima, das wir viel schneller und einfacher verändern könnten. Das Klima in unseren Familien, in unserer Ehe oder Freundschaften.

Die Menschen gehen wegen Kohlenstoffdioxid auf die Straße, aber bekommen oft nicht mit, was in ihren eigenen Familien passiert. Wir wollen die Welt retten? Dann lasst uns doch zuhause damit anfangen!

Wir kämpfen gegen Plastikmüll, aber müllen unser Herz und unsere Seele zu.

Wir sind so damit beschäftigt, die Umwelt zu schützen, aber schützen wir auch unsere „Inwelt“?

Wir kämpfen um die Zukunft unserer Kinder, aber kämpfen wir auch um unsere Kinder selbst?

Schaut man sich nur mal ein paar Statistiken an, erkennt man schnell, dass es mehr zu retten gilt, als unser Klima.

In Deutschland gibt es heute halb so viele Eheschließungen wie noch 1950. Gleichzeitig wird fast jede zweite Ehe geschieden. Nun mag es Manche geben, die dies als Freiheit oder Weiterentwicklung sehen. Aber mal abgesehen davon, dass zwei Singlehaushalte mehr CO2 produzieren, als ein Ehehaushalt, weist diese Statistik auf ein großes Problem unserer Gesellschaft hin: Einsamkeit.

Einsamkeit? Wie kann das sein, wo wir doch immer mehr soziale Netzwerke haben, dutzende Kommunikationsmöglichkeiten und gleichzeitig immer mobiler werden?

Schauen wir uns weitere Zahlen und Fakten an: In den nächsten vier Jahren sollen 35% der unter 3jährigen einen Kita-Platz bekommen. Natürlich kenne ich die Gründe dafür. Mit nur einem Gehalt kommt eine Familie kaum über die Runden. Aber lohnt es sich nicht, mal darüber zu reden, ob wir hier auf dem richtigen Weg sind? Ist dieser Weg der Beste für unsere Kinder? Ist es das Beste für uns Eltern? Lasst uns drüber reden.

Es ist erstaunlich, was alles so erforscht wird. Forscher haben tatsächlich herausgefunden, dass das Streamen von Online-Pornos genauso viel CO2 verursacht, wie ganz Belgien. Nämlich 300 Millionen Tonnen CO2. Ich bin kein CO2-Experte, aber das klingt nach verdammt viel CO2!

Und wer glaubt, dass da nur pubertierende Teenager vor dem Smartphone oder dem PC sitzen und Pornos gucken, der irrt.

Da sitzen viele einsame oder frustrierte Ehemänner vor dem Bildschirm (in deutlich geringerem Maße vielleicht auch Ehefrauen).

Ist das nicht traurig?

Ihr könnt mich gerne spießig nennen, aber mich erschreckt das. Wir masturbieren ganz Belgien in die Atmosphäre. Ich finde, da darf man ruhig mal drüber reden.

Wir regen uns über Kreuzfahrtschiffe oder SUVs auf, aber 300 Millionen Tonnen Porno-CO2 interessieren uns nicht? Der Unterschied zwischen Diesel-CO2 und Porno-CO2 ist, dass der Diesel nur das Erdklima verschlechtert. Wenn aber Heere von Ehemännern ihre Befriedigung online zu stillen versuchen, vergiftet das viel mehr als nur das Erdklima.

Es mag Gründe dafür geben und ich möchte niemanden verurteilen. Aber welchen Einfluss hat der Konsum von Online-Pornos auf unsere Ehe, auf unsere Sexualität und unsere Würde?

Da muss man drüber sprechen. Nicht nur wegen der 300 Millionen Tonnen CO2, denn das ist das geringste Problem daran.

Die nächste Statistik betrifft leider wieder die Männer. Laut einer Untersuchung haben nur 14% aller Männer echte Freundschaften zu anderen Männern. Das bedeutet gleichzeitig, dass 86% der Männer keine echten Freunde haben. Gemeint sind nicht Arbeitskollegen oder Mitspieler im Fußballverein, sondern wirklich gute Freunde. Freunde, die für einen da sind, wenn es einem schlecht geht oder man Hilfe braucht. Das kennen nur 14% der Männer. Und von diesen 14% reden nur 10% offen mit ihren Freunden.

Nicht einmal 2% der Männer haben also einen „Best Buddy“, mit dem sie über alles sprechen können. Es ist toll, wenn man mit seiner Frau oder Freundin offen sprechen kam, aber es gibt Dinge, die möchte man vielleicht lieber mit anderen Männer besprechen. Über Eheprobleme, Erfolge oder Stress auf der Arbeit, Autos, Frauen oder Fußball.

Mal banal, mal albern, mal wegweisend. Aber das kennen nur die wenigsten Männer. Und das ist traurig. So viele Männer sind umgeben von Menschen und doch einsam.

Ich weiß nicht, wie es bei den Frauen aussieht, aber ich denke, es ist ähnlich.

Wir brauchen gesunde Beziehungen. Hieraus ziehen wir unseren Selbstwert, unsere Anerkennung, empfangen Liebe, Trost, aber auch Grenzen und (konstruktive) Kritik. Gute Beziehungen liefern Feedback, positiv wie negativ.

Das können soziale Medien nicht ersetzen.

Aber warum legen so viele Menschen ihr Leben bei Instagram und Facebook offen?

Weil sie hier scheinbar das bekommen, was ihnen in der realen Welt fehlt: Freunde, Anerkennung, Zugehörigkeit, Wertschätzung usw.

Unsere Medien werden immer „sozialer“, aber wir werden immer einsamer.

Wir brauchen starke Beziehungen und Freundschaften.

Wir reden viel über Umwelt-Aktivisten, was unsere Welt aber mindestens genauso dringend braucht, sind „Umfeld-Aktivisten“. Kämpfen wir für ein gutes Umfeld, bemühen wir uns um starke Freundschaften?

So wie wir uns an Bäume ketten, so sollten wir uns an unsere Beziehungen ketten (und ihr wisst, wie ich das meine. Wir reden hier nicht über Boarderline oder Stalking).

Unsere Erde wird immer schmutziger und das Klima leidet unter uns Menschen. Hier müssen wir uns engagieren.

Aber unsere Welt wird auch immer komplexer und schneller. Und darunter leiden wir Menschen. Und auch hier müssen wir uns engagieren.

Wenn wir die Welt retten wollen, sollten wir damit anfangen, unsere Familien und unsere Beziehungen zu retten. Was nützt uns eine saubere Umwelt und ein gutes Klima, wenn wir selbst kaputt sind?

Gott hat diese Welt wunderbar erschaffen. Unser Planet ist wunderschön. Es lohnt sich, ihn zu erhalten und zu pflegen. Aber wir, Gottes Geschöpfe, sind es noch viel mehr wert. Also, lasst uns nicht bis Freitags warten, um die Welt zu retten. Starten wir jetzt und gleich. #EverydayForFuture

 

 


Die unglaubliche Reise des Andrij K.

 

Wie wir einen verwundeten Soldaten aus der Ukraine holten

Ich hatte dieses Projekt unterschätzt. Völlig unterschätzt. Ich hatte keine Ahnung, was uns erwarten würde und welche Hürden vor uns liegen würden.

Als Vertriebsleiter, Firmengründer, Bandmanager, Familienvater und engagierter Ehrenamtler habe ich schon manches, auch umfangreiches, Projekt geleitet. Aber dieses Projekt sollte alles in den Schatten stellen.

Fast 500 Telefonate, Mails, SMS, Nachrichten in diversen Messengern wie Whattsapp, Facebook oder Telegramm in drei verschiedenen Sprachen waren nötig. Botschafter, Staatssekretäre, Landräte und Bürgermeister waren involviert. Brüssel, Kiew, Rzesow und Bonn nur einige der Schauplätze.

Aber fangen wir erstmal vorne an.

Alles begann am 18.5.2022. Ich war während meiner Mittagspause mit dem Mountainbike in den sauerländer Wäldern unterwegs, als mein Handy klingelte. Es war Inna Svoboda die in Düren bei der Caritas arbeitet. Sie bekam meine Nummer vom Blau-Gelbes-Kreuz e.V. in Köln. Sie hatte Kontakt zu einem verwundeten ukrainischen Soldaten und war auf der Suche nach Jemanden, der ihn mit nach Deutschland bringen könnte.

Da wir regelmäßig Hilfsgüter in der Ukraine bringen und auf dem Rückweg Menschen auf der Flucht in unseren Bussen mit nach Polen oder Deutschland nehmen, landete sie mit ihrem Anliegen bei mir.

Ohne lange zu überlegen willigte ich ein. Natürlich würden wir den Soldaten mitbringen. Sehr naiv, wie ich heute weiß. Aber so begann die unglaubliche Reise des Soldaten Andrij K.

Andrij kämpfte am 20.4.2022 mit drei Kameraden in der Nähe von Donezk. Ich weiß nicht genau, ob sie in einem Schützengraben oder in einem Haus waren. Die Kommunikation über Dolmetscher oder Übersetzer-App ist manchmal etwas schwierig.

Andrij und die anderen Drei konnten russische Truppen sehen. Dann wurde geschossen. Ein russischer Panzer näherte sich. Er feuerte. Eine Splittergranate traf den Unterschlupf der vier ukrainischen Soldaten. Ein Kamerad war sofort tot, zerrissen von den Splittern der Anti-Personen-Granate. Ein anderer wurde schwer verletzt, seine Rippen und sein Gesicht von Splittern getroffen. Andrij und ein weiterer Soldat wurden an den Beinen verwundet.

„Verwundet“, das klingt so wie „Glück gehabt“. Ich war auch schon verwundet, bin mit dem Bike gestürzt oder wurde beim Fußball gefoult.

Wenn aber ein Stück einer russischen Splittergranate dein Knie trifft, ist das ein anderes „verwundet“.

Ich habe Fotos und Röntgenaufnahmen von seinem Knie gesehen. Selbst als Laie wusste ich: das sieht nicht gut aus. So sahen es auch die Ärzte in dem Militärkrankenhaus in Ternopil, wo er nach dem Gefecht eingeliefert wurde.

Die ukrainischen Ärzte entfernten in mehreren Operationen die Reste von dem, was mal Knochen, Nerven und Fleisch waren. Zurück blieb ein faustgroßen Loch im Knie. Damit liegt er seit Ende April in der Ukraine im Krankenhaus. In einem Krankenhaus, was völlig überfüllt ist. Mit Ärzten und Schwestern, die völlig überfordert sind.

Täglich gibt es 200 solcher Fälle wie Andrij in der Ukraine. Die Toten nicht mitgezählt. Und wir reden hier nur von Soldaten. Die Zivilsten erscheinen in einer anderen Statistik.

Es gibt schlimmere Fälle als Andrij. Aber was hilft dir das, wenn du ohne Schmerzmittel wochenlang in deinem Bett liegst ohne Hoffnung auf eine angemessene Behandlung?

Schmerzmittel gab es nur die ersten drei Tage nach der OP. Antibiotika gab es zwar, das musste er sich aber selbst verabreichen.

Mit dieser Art der „Verwundung“ bist du aktuell in einem ukrainischen Militärkrankenhaus weit unten auf der Prioritätsskala.

Als Andrij dann Kontakt hatte zu Inna aus Deutschland, nutzte er die Gelegenheit und fragte, ob er nicht nach Deutschland kommen könne. Und so klingelte am 18.5. mittags mein Handy.

Das Krankenhaus in Ternopil (UA) bestätigte auf Nachfrage, dass eine Verlegung nach Deutschland sinnvoll wäre, da man Andrij in der Ukraine nicht behandeln könne und letztlich nur die Amputation bliebe.

Nebenbei fragte das Krankenhaus, als sie hörten, dass wir aus Deutschland sind, ob wir nicht Verbandsmaterial besorgen könnten. Sie hätten keine mehr. Das sind die Umstände aktuell in der Ukraine.

Für uns, die CFA - Christus für Alle stand jedenfalls fest, dass wir bei unserer nächsten Fahrt einen verwundeten Soldaten aus der Ukraine mitbringen würden.

Als erstes informierte ich mich, ob er liegend transportiert werden müsse. Es ginge auch im Sitzen war die Antwort. Also organisierten wir einen Bus mit Rollstuhlrampe und einen entsprechenden Rollstuhl, indem er sein Bein hochstellen kann. Andrij trägt einen Fixateur und kann das Bein nicht beugen oder bewegen. Bei der kleinsten Bewegung hat er schreckliche Schmerzen.

Als Nächstes brauchten wir einen Krankenhausplatz. Über eine Facebook-Bekanntschaft kam der Tipp mal bei den GFO Kliniken nachzufragen. GFO steht für Gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe. Die GFO betreibt 18 Krankenhäuser hier in der weiteren Umgebung. Also habe ich in Olpe in der Hauptgeschäftsstelle angerufen und den Fall geschildert.

Ich solle es mal in der GFO Klinik Engelskirchen St. Josef Krankenhaus probieren, die hätten mehrere Kniespezialisten.

Also habe ich die Zentrale in Engelskirchen angerufen. Die verwiesen mich an die Aufnahme, die Aufnahme ans Belegungsmanagement. Das wiederum verwies mich an das orthopädische Sekretariat. Das Sekretariat musste Rücksprache mit dem Chefarzt halten.

Nach Schilderung des Falls stimmte der Chefarzt einer Behandlung zu.

Jetzt musste nur noch die Geschäftsführung zustimmen, was sie auch tat. Dann zurück zum Belegungsmanagement, um den Patienten aus der Ukraine anzumelden.

Bis hierher brauchte ich viele Telefonate, aber alles klappte reibungslos. Das Krankenhaus war sehr engagiert und half schnell und unkompliziert.

Um den Soldaten aber aufnehmen und behandeln zu können, brauchte das Krankenhaus eine Bestätigung der Kostenübernahme und den Arztbericht aus der Ukraine.

So langsam ahnte ich, worauf ich mich da eingelassen hatte.

Also rief ich wieder Inna an, die mit dem Krankenhaus in Ternopil kommunizierte. Ich bekam die Arztberichte als Handyfotos zugeschickt. Jetzt musste ich die Sachen übersetzen lassen. Ich wollte gerne zwei Übersetzungen haben, von verschiedenen Personen, da ich Sorge hatte, dass sich bei den ganzen medizinischen Fachbegriffen eventuell Fehler einschleichen könnten.

Also bat ich das blau-gelbe Kreuz in Köln und die ukrainische Community in Oberberg rund um Valentyna Butulay um Hilfe. Schnell meldeten sich zwei Personen, die helfen wollten und zwei Tage später hatte ich die übersetzen Berichte.

Komplizierter wurde es mit der Kostenübernahme. Nach kurzer Internetrecherche rief ich das Kreissozialamt an. Dort fühlte man sich nicht zuständig. Da Andrij theoretisch ja noch arbeitsfähig sei, wäre das Jobcenter zuständig, und zwar an dem Ort, wo Andrij gemeldet ist. Ich sagte, dass er noch gar nicht angemeldet ist, weil er ja noch in der Ukraine sei.

Ich rief trotzdem beim Jobcenter an. Dort wäre ich ja völlig falsch, der Patient müsse sich erst beim Ausländeramt anmelden. Also rief ich beim Ausländeramt an, um Andrij dort anzumelden. Dort reagierte man mit Unverständnis. Wie ich denn darauf käme? Das ginge nur höchstpersönlich, da müsse der Soldat schon selbst zum Amt kommen.

Langsam leicht genervt erklärte ich, dass wir Samstags nachmittags nach 20 Stunden Fahrt ankämen. Der Patient hat ein riesiges Loch im Knie, kann sich nicht bewegen und trägt einen Fixateur. Ich fragte, ob wir nicht eine Ausnahme machen könnten und ich den Soldaten anmelden könne. Antwort: „Natürlich nicht.“ Ob sie denn ggf. einen Außentermin machen könne, damit der schwer Verletzte nicht wieder ins Amt muss. „Natürlich nicht“.

Der Ablauf sollte also so aussehen: der Soldat kommt hier samstags nachmittags an und muss außerhalb des Krankenhauses (wegen fehlender Kostenzusage) behandelt werden. Dann muss er Montags zum Ausländeramt und sich anmelden. Mit der Anmeldung geht er zum Jobcenter und bekommt eine Fiktionsbescheinigung. Damit muss er dann zum Sozialamt, wo er irgendeinen anderen Schein bekommt. Mit diesem Schein kann er zur Krankenkasse seiner Wahl gehen und sich dort anmelden. Und mit der Anmeldung der Krankenkasse kann er zum Krankenhaus, um sich behandeln zu lassen.

So langsam wurde ich sauer. Niemand fühlte sich verantwortlich, niemand hatte eine Idee, niemand war interessiert am Schicksal von Andrij.

Kennt ihr die Asterix-Folge, wo er in einer römischen Behörde unterwegs ist, um den Passierschein 38a zu bekommen? Ich verstand langsam, wie Asterix sich damals gefühlt haben musste. „Die spinnen, die Beamten.“

An dieser Stelle kommt Susanne Maaß ins Spiel. Susanne ist Lokalpolitikerin, Flüchtlingshelferin, Ehrenamtlerin, legt sich gerne mal mit Behörden und Entscheidungsträgern an und ist schon mehrfach mit uns in die Ukraine gefahren.

Sie sagte zu, sich um die Sache mit der Kostenübernahme zu kümmern.

Ich telefonierte derweil mit den Roten Kreuz und anderen, um eine Lösung fürs Wochenende zu finden, falls wir ihn wirklich erst Montags anmelden können.

Wenige Tage später: Ratssitzung der Gemeinde Reichshof. Susanne und ich leben hier im Ferienland Reichshof, einer kleine Gemeinde im Oberbergischen. Susanne hat den Fall Andrij K. dort angesprochen und erklärt, wie kompliziert und unrealistisch das Prozedere mit der Anmeldung ist. Der Bürgermeister versprach zu helfen. Gleichzeitig hat sie den Landrat informiert und um Hilfe gebeten. Es wurden viele E-Mails geschrieben und Telefonate geführt, bis wir dann endlich den Passierschein… ach nein, die Bestätigung der Kostenübernahme vorliegen hatten. Und das noch bevor Andrij die Ukraine verlassen hatte. Was theoretisch unmöglich ist, haben engagierte und mitfühlende Menschen möglich gemacht. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten.

Zwei Probleme wären also gelöst. Wir hatten ein Krankenhaus und die Kosten waren auch gesichert. Jetzt fehlte nur noch der Patient.

Aber den wollten wir ja bei der nächsten Fahrt in die Ukraine vom 16.-18.6. mitbringen.

Ich lies die Behandlungsbestätigung des Krankenhauses Engelskirchen von Valentyna ins ukrainische übersetzen und Inna organisierte einen Fahrer, der Andrij am 17. von Ternopil nach Lwiw bringen sollte.

Wir bringen unsere Hilfsgüter immer nach Wolodymyr, eine Kleinstadt etwa 120km nördlich von Lwiw. Das sind nur etwa zwei Stunden Fahrt. Das war ok. Die Fahrt nach Ternopil hätte über 5 Stunden gedauert und dann nochmal 4 Stunden zur Grenze. Das hätten wir unmöglich vor Beginn der Ausgangssperre geschafft. Ich wollte auch nicht mit mehreren Bussen stundenlang durch ein Kriegsland fahren, in dem es keinen Sprit mehr gibt.

Also musste der Soldat nach Lwiw. Wir vereinbarten einen Treffpunkt an einem Militärkrankenhaus in Lwiw. Dort wollten wir uns auch mit mehreren anderen Flüchtlingen treffen, die ebenfalls mit nach Deutschland wollten.

Alles war geklärt: Krankenhaus? Check! Papiere? Check! Transport des Patienten? Check!

Doch dann, am 16.6. spät abends irgendwo in Polen bekam ich einen Anruf von Inna.

„Es gibt ein Problem!“

Obwohl das ukrainische Krankenhaus der Verlegung zugestimmt hatte, durfte Andrij nicht ausreisen. Er ist Militärangehöriger und darf die Ukraine nicht verlassen. Egal, ob verletzt oder nicht. Das darf doch nicht wahr sein. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Ich überlegte die ganze Nacht, welche Optionen wir haben. Mehrfach telefonierte ich mit Susanne, die in einem anderen Bus saß.

Wir überlegten, wen wir anrufen könnten. Zu wem in der Politik haben wir Kontakte? Wen kann man morgens in Berlin erreichen, an einem sitzungsfreien Freitag?

Susanne schrieb Sabine Grützmacher (Grüne) an. Das Büro von Frau Grützmacher antwortete und versprach, ein paar Leute anzurufen. Leider kamen wir hier trotz großem Engagement seitens des Teams von Sabine Grützmacher nicht weiter.

Ich entschied mich bei Michael Gahler (CDU) anzurufen. Gahler, EU-Abgeordneter in Brüssel, war zusammen mit Friedrich Merz in Kiew und setzt sich stark für die Ukraine ein.

Und tatsächlich nahm sein Büroleiter den Anruf entgegen und ich konnte ihm die Situation erklären. Er beriet sich kurz mit Michael Gahler und die beiden stimmten zu, uns und vor allem Andrij zu helfen. Kurze Zeit später hatte ich eine Whattsgruppe mit Susanne und dem Büroleiter in Brüssel.

Wir haben vom Bus aus Unterlagen organisiert, Optionen besprochen, Sachverhalte erklärt usw. An diesem Tag alleine habe ich 72 Telefonate geführt.

Das Team von Michael Gahler telefonierte mit dem ukrainischen Botschafter in der EU, mit Staatssekretären, mit dem ukrainischen Gesundheits- und dem Verteidigungsministerium. An ihrer Seite war eine ukrainische Politikerin (EPP), die beim übersetzen half und ebenfalls ihre Kontakte in Kiew abtelefonierte.

Andrij wusste derweil gar nicht, wie ihm geschah. Immer wieder riefen hochrangige Militärs oder Leute vom Gesundheitsministerium bei ihm an.

Irgendwann fragte einer, ob Andrij prominent wäre, weil ständig deutsche Politiker wegen ihm anriefen.

Am Nachmittag wussten wir immerhin, wie der Prozess abläuft. Normalerweise kommen verletzte ukrainische Soldaten über Kontingente nach Deutschland und werden von der Bundeswehr von Polen aus mit speziellen Krankentransport-Flugzeugen ausgeflogen, sogenannte MedEvacs.

Andrij stand aber auf keiner Liste. Also wäre der normale Weg, einen Antrag in Kiew einzureichen. Dann gibt es Anhörungen vom Gesundheits- und vom Verteidigungsministerium. Das Ganze dauert in der Regel 2-4 Wochen. Wir hatten aber nur noch 2-4 Stunden.

Nun standen wir also am Militärkrankenhaus in Lwiw, unserem vereinbarten Treffpunkt. Aber Andrij war nicht da. Also entschieden wir uns schweren Herzens ohne ihn nach Hause zu fahren. Auf dem Weg zur Grenze bekam ich dann einen Anruf aus Brüssel. Am Ende fehlte nur eine einzige Unterschrift. Eine Militärärztin aus Kiew hätte unterschreiben müssen. Das Team von Michael Gahler konnte sich bis in ihr Vorzimmer zu ihrer Assistentin durchtelefonieren. Die Ärztin war aber schon im Wochenende und nicht mehr erreichbar.

Wir waren völlig niedergeschlagen. Wir hatten so gekämpft und am Ende war alles vergebens.

Andrij war ebenfalls am Boden zerstört. Er saß mit gepackter Tasche in Ternopil und wollte nichts lieber als nach Deutschland.

Samstag Abend waren wir dann zurück in Deutschland, müde, durchgeschwitzt, emotional aufgewühlt. Auf der einen Seite glücklich, weil wir auch viel Gutes tun konnten (den Videobericht dazu findet ihr auf meiner Fb-Seite), gleichzeitig aber auch tief enttäuscht und auch irgendwie wütend.

Ich konnte es überhaupt nicht begreifen. Da liegt ein schwer verletzter ukrainischer Soldat in Ternopil, der laut ukrainischen Ärzten dort keine Chance auf eine Behandlung hat. In Deutschland gibt es ein Krankenhaus mit Kniespezialisten, die ihn behandeln wollen und die Kosten werden auch übernommen. Selbst der Transport ins Krankenhaus war geregelt.

Warum lassen die Ukrainer ihn nicht einfach gehen? Was soll denn diese Bürokratie?

Ich fühlte mich so machtlos und ausgelaugt.

Sonntags zwang ich mich, nicht mehr dran zu denken und die Sache abzuhaken.

Ich sagte meiner Frau, dass Privatpersonen so etwas einfach nicht organisiert bekommen. Das Projekt war einfach eine Nummer zu groß.

Ich wollte aufgeben.

Montags morgens saß ich dann wieder mit dem Handy in der Hand und schrieb mit Brüssel. Irgendwie konnte ich Andrij nicht im Stich lassen. Wenn ich schon so gefrustet war, wie musste es ihm erst gehen?

Das Büro von Michael Gahler kümmerte sich weiterhin um die Ausreiseerlaubnis und ich kümmerte mich um den Transport von Ternopil nach Deutschland. Ich klapperte alle meine ukrainischen Kontakte ab.

(Kleine Randnotiz: bis zum 24.2. wusste ich nichts über die Ukraine. Ich wusste, dass Kiew die Hauptstadt ist und hätte vielleicht 1-2 weitere Städte nennen können. Ich kannte die Klitschkos und ein paar Fußballer. Das war’s. Keine Ahnung, wie der Präsident heißt. War der nicht Komiker? Heute schreiben mich Ukrainer an, ob ich Verwandten in irgendeiner zerbombten Stadt helfen kann und wenige Tage später kommt dort ein Carepaket an. Ich kenne mittlerweile so viele Ukrainer und bin richtig gut vernetzt. Sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine. [Und diese Netzwerke sollte mir später noch sehr helfen.]

Und je mehr Ukrainer ich kennen lerne, desto erstaunter bin ich über diese Mentalität. Nie aufgeben, immer nach vorne schauen, den Kopf nie hängen lassen, immer für die eigenen Leute da sein. Ich bin froh, dass ich heute mehr Ukrainer kenne, als ein paar Sportler aus dem Fernsehen.)

Aber zurück zu unserem Soldaten

Ursprünglich sollte Andrij ja nach Lwiw gebracht werden und bei uns mitfahren. Jetzt musste also eine andere Lösung gefunden werden. Ich schrieb Valentyna an, die mir auch gleich einen Kontakt vermittelte. Ein Bekannter von ihr wollte am Wochenende in die Ukraine fahren, um ein paar Leute rauszuholen. Er erklärte sich bereit, Andrij mitzunehmen. Das Problem war, dass er von Mukachevo aus fahren wollte, was etwas 5 Stunden Fahrt von Ternopil aus bedeutet. Und er wollte über Ungarn und Österreich fahren. Die Strecke wäre für Andrij mit seinem kaputten Bein viel zu anstrengend gewesen.

Also überlegte ich weiter.

Ich war mal geschäftlich in Polen und bin sehr günstig mit Wizz Air, einer polnischen Airline geflogen. Also studierte ich den Flugplan und fand einen Flug für 150€ von Rzesow in Polen nach Eindhoven in den Niederlanden. Von Eindhoven sind es weniger als zwei Stunden bis ins Krankenhaus in Engelskirchen. Und Rzesow ist der nächstgelegene Flugplatz in Polen aus Termopil aus, etwa 4 Stunden Fahrt. Perfekt.

Also telefonierte ich mit Wizz Air. Sie sagten mir den Transport zu, ich müsse aber zwei Sitze buchen. 300€ für den Transport nach Holland? Passt.

Eine Stunde später kam ein Anruf von Wizz Air. Man hätte sich vertan, der verwundete Soldat könne doch nicht mitfliegen, weil er im Flugzeug sein Bein nicht ausstrecken könne.

Ich musste also weitersuchen.

Generell gefiel mir aber der Gedanke, dass Andrij wenige Stunden in einem Flieger sitzt, statt 20 Stunden in einem Bus.

Also telefonierte ich alle Organisationen ab, die mir einfielen. Ärzte ohne Grenzen, Deutsches Rotes Kreuz, MedCare Professionell, Caritas um nur einige zu nennen.

Jedes Telefonat endete mit einer Absage.

Parallel dazu musste ja noch der Transport von Ternopil nach Rzesow organisert werden. Dabei half mir Mariia Boichun, die wir auf dem

Hinweg von Deutschland mit in die Ukraine genommen hatten. Sie organisierte mir gleich zwei verschiedene Transportmöglichkeiten.

Genial, das Netzwerk funktioniert, dachte ich.

Ich fand nur keine Möglichkeit, Andrij aus Polen rauszubekommen. Und dann hatte meine Frau die super Idee, mal das blau-gelbe Kreuz zu fragen. Die organisieren ja Flüge mit Motorflugzeugen, um Medikamente nach Polen zu fliegen. Ich telefonierte mit Linda Mai vom blau-gelben Kreuz und eine Stunde später kam die Bestätigung, dass Sonntags ein Flugzeug nach Polen fliegen sollte.

Ich war sprachlos, die Lösung war zum Greifen nahe.

Der Sonntag rückte immer näher, aber es fehlte immer noch die Bestätigung, dass Andrij ausreisen dürfe. Freitag nachmittags kam dann ein Anruf aus Brüssel, dass die Genehmigung erteilt sei. Samstag Nachmittag hatten wir die Erlaubnis dann schriftlich vorliegen. Zudem erklärte sich das ukrainische Gesundheitsministerium bereit, den Transport zum Flughafen zu organisieren.

Was sollte so kurz vor Anflug nun noch schief gehen, dachte ich.

Aber jetzt wurde es nochmal richtig stressig und kompliziert.

Der Flug wurde organisiert von der Humanitarian Pilots Initiative - HPI (Deutschland), durchgeführt werden sollte er aber von Ukraine Air Rescue aus der Schweiz. Der Transport von Andrij wurde organisiert von dem ukrainischen Gesundheitsministerium und durchgeführt durch eine polnisch Hilfsorganisation, deren Namen ich nicht mehr weiß (der Fahrer hieß Jakub, das weiß ich noch). Es gab also vier Ansprechpartner, die immer wieder Fragen an einen anderen Ansprechpartner hatten. Welche Flugnummer, Name des Piloten, Name des Krankenwagenfahrers, wann kommt der Flieger an, wann kommt der Krankenwagen an usw. Und alles lief über mich Ich schrieb hin und her, in drei verschiedenen Sprachen; deutsch, englisch und ukrainisch. Zwischendurch nutze ich immer wieder die Übersetzer-App.

Ich war so angespannt, wie selten zuvor. Als müsste ich am nächsten Tag drei Matheklausuren schreiben, so aufgeregt war ich.

Der Flug ging vom NATO-Stützpunkt in Rzesow aus. Da geht es etwas anders zu, als an zivilen Flugplätzen. Alles ist strenger und komplizierter.

(Der Anflug auf den NATO-Flughafen soll übrigens ziemlich beeindruckend sein. Überall stehen Raketenabwehrsysteme in Alarmbereitschaft. Das soll wohl spektakulär aussehen.)

Doch dann kam gegen 15 Uhr die erlösende Nachricht. Andrij hat den Flieger erreicht. Es war (fast) geschafft.

Dann kam nämlich der Anruf von Jakub, in Englisch mit starken polnischen Akzent. „We have a prrroblem.“

Andrij passte nicht ins Flugzeug. Unsere Info war, dass er sitzend transportiert werden kann. Hauptsache, er kann das Bein ausstrecken. Zuvor wurden extra Sitze aus- und umgebaut im Flieger, damit Andrij in der kleinen Maschine sitzen kann.

So kurz vor‘m Ziel wollte aber keiner aufgegeben. Also bauten sie gemeinsam auf dem Flugplatz in Rzesow das Flugzeug nochmal um. Mit einer Dreiviertel Stunde Verspätung startete das Flugzeug in Rzesow mit Andrij an Bord Richtung Bonn- Hangelar.

Susanne, Kay Wolf von der Humanitarian Pilot Initiative und ich warteten an der Landebahn. Susanne hatte einen Bus mit Rampe und einen Spezialrollstuhl von der Caritas geliehen, damit Andrij ins Krankenhaus nach Engelskirchen bringen konnten.

Den Moment, als der Flieger landete und ich Andrij zum ersten Mal sah, den werde ich nicht vergessen.

Wir hatten es tatsächlich geschafft. Wir haben das Unmögliche möglich gemacht. Sie viele Menschen haben sich dafür eingesetzt, dass Andrij heute die Behandlung bekommt, die er braucht, damit sein Bein gerettet werden kann.

Ohne die massive Unterstützung so vieler Menschen, läge Andrij heute noch ohne Aussicht auf Behandlung in Ternopil, bis irgendwann sein Bein amputiert worden wäre.

Wir haben ihn dann abends ins Krankenhaus gebraucht, wo Viktor Salzseiler schon wartete, um zu übersetzen. Andrij wurde stundenlang untersucht und befragt, es wurden Röntgenbilder erstellt, der Ablauf der Verletzung und die Vorbehandlung besprochen, bis er dann Ende gehen 23:30 Uhr aufs Zimmer durfte. Er konnte es kaum glauben. Ein Einzelzimmer (statt mit 10-12 anderen Soldaten), Flatscreen, Wifi, verstellbare Betten, ein Knopf für die Schwester und Susanne hatte auch noch Pizza organisiert. Andrij war endlich angekommen. Er war erschöpft aber gut gelaunt.

Wenn ich eins aus der Geschichte gelernt habe, dann wie wichtig es ist, Netzwerke aufzubauen und diese zu nutzen.

Und man darf sich nicht scheuen, Leute einfach anzusprechen und um Hilfe zu fragen. Manchmal bekommt man eine Absage, aber es gibt so viele Menschen, die bereit sind zu helfen. Man muss sie nur fragen.

Warum ich euch das alles berichte?

Weil ich den vielen anonymen Soldaten, die in der Ukraine in den Krankenhäusern liegen, ein Gesicht geben möchte. Andrij steht stellvertretend für tausende anderer Fälle. 200 Fälle wie Andrij, jeden Tag.

Deutschland nimmt über das Kontingent 300 verwundete Soldaten auf. Das ist toll, aber es reicht nicht.

Und man sieht ja an Andrijs Geschichte, wie schwierig es ist, Soldaten hierüber zu holen.

Wir dürfen die Menschen in der Ukraine aber keinesfalls vergessen. Täglich sterben hunderte Zivilisten und Soldaten. Noch mehr werden verwundet.

Die Menschen kämpfen dort für ihre Freiheit. Sie kämpfen aber auch für unsere Freiheit. Und sie sterben dafür.

Lasst uns ihnen zur Seite stehen so gut es gut.

Die Ukraine braucht Waffen. Sie braucht Medikamente, Lebensmittel, Kleidung und Gebet!

Das sind wir ihnen schuldig. Denn sie kämpfen für alle Demokratien im Westen und Osten.

Ich wurde ein paar mal gefragt, warum ich das Alles machen würde. Soviel Zeit und Energie zu opfern für einen einzelnen Soldaten.

Darauf habe ich mehrere Antworten.

Ich hatte damals am Telefon zugesagt, Andrij mitzunehmen. Wann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen aufzugeben? Und wie hätte ich es vor Andrij rechtfertigten können?

Ja, wir haben das alles für nur einen Soldaten getan und er hat noch nicht einmal lebensbedrohliche Verletzungen. Vielleicht hätten es andere mehr verdient, hätten es dringender gebracht. Aber ich kenne keine anderen. Andrij hat mich als einziger gefragt, also habe ich alles in meiner Macht stehende getan, um ihm zu helfen. Gerne hätte ich mehreren geholfen. Aber einer ist besser als keiner.

Natürlich fragt man sich manchmal, ob er wohl ein netter Kerl ist. Dann kommen so Gedanken wie „Ich opfere so viel Zeit, hoffentlich ist er kein Arschl**h.“ Aber selbst wenn. Ich hole ihn nicht nach Deutschland wegen seinem Charakter, sondern wegen meinem. Weil meine Eltern mir beigebracht haben, Menschen in Not zu helfen. Ich helfe ihm, weil in der Bibel steht, dass ich meinen Nächsten lieben soll.

Ich helfe ihm, weil ich mir wünschen würde, dass jemand das selbe für nich tut, wenn ich in der Situation wäre.

(Andrij ist übrigens ein sehr netter Kerl!)

Ich helfe ihm, weil ich Abend, wenn ich meine Kinder ins Bett bringe, mit ihnen bete. Und dann beten wir für die Menschen in der Ukraine. Dass Gott ihnen hilft und sie beschützt. Nun, manchmal muss man auch seine eigene Gebetserhörung sein. Es können nicht nur alle beten, manche müssen auch handeln, damit die Gebete wahr werden.

Deshalb fahren wir immer wieder in die Ukraine und deshalb habe ich mich so für einen mir unbekannten Soldaten eingesetzt.

Mir ist bewusst, dass wir mit unserer Ukraine-Hilfe nicht die Welt retten können. Aber wir können die Welt für Andrij retten und viele andere, die in unseren Bussen mitgefahren oder die unsere Hilfsgüter bekommen haben. Deshalb machen wir das.

 

Gott schütze die Ukraine UA



36 Grad und die Pfütze im Camp

Meine Jungs sind 2 und 4 Jahre alt. Ich weiß also noch genau, wie es war, als die beiden Babys waren. Über alles hat man sich Gedanken gemacht.
Welchen Kindersitz sollen wir kaufen? Ist der Kinderwagen mit Gummi- oder Luftreifen besser? Was ist die beste Badetemperatur für mein Baby?
Es gab so viele Fragen und man wollte nichts falsch machen.

Also haben wir gegoogelt, Testberichte studiert, uns im Laden beraten lassen und die Hebamme gefragt.
Das Beste war gerade gut genug. Wer kauft schon den Kindersitz auf Platz 2, wenn der Testsieger 30€ mehr kostet?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals zu meiner Frau sagte, was wir für ein Glück haben, dass wir es uns erlauben können, nicht nach dem Preis, sondern nach der Bewertung zu entscheiden. Dafür war ich dankbar.
Jeder will doch das Beste für seine Kinder, aber nicht jeder kann es sich leisten.
Das hat mich nachdenklich gemacht und auch ein wenig traurig. Denn eigentlich hat doch jedes Kind verdient, unter den bestmöglichen Bedingungen aufzuwachsen - unabhängig vom Geld.

Irgendwann aber holt einen der Alltag ein. Nach der Sitzschale kommt der Kindersitz und nach dem Kinderwagen kommt das Dreirad. Aus Dankbarkeit wird Routine und anstatt die Welt zu retten, plant man Kindergeburtstage.
Alles normal, alles Alltag.
Bis die Bilder aus Syrien kamen...

Jetzt sitzt du in deinem Haus, umgeben von Testsiegern und Prüfsiegeln und siehst in den Nachrichten die Kinderleichen.
Und was jetzt? Die Idylle ist im Arsch! Was also tun? Wie regiert man als Vater auf diese Bilder?

Natürlich kommt zuerst das schlechte Gewissen. Da sieht man das Bild, wo ein Neugeborenes Anfang März draußen vor dem Zelt mit Mineralwasser über einer Pfütze gebadet wird und erinnert sich daran, dass man die eigenen Kinder bei einer Zimmertemperatur von 25 Grad und einer Wassertemperatur von 36 Grad gebadet hat. Und natürlich fühlt man sich beschissen!
Aber das ist nicht richtig. Ich muss kein schlechtes Gewissen haben. Ich will das Beste für meine Kinder, so wie es jeder Vater und jede Mutter möchte. Und jeder tut dies mit den Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen.
Und wenn ich in der glücklichen Lage bin, die Badetemperatur zu bestimmen und einen teuren Kindersitz zu kaufen, dann ist das kein Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, sondern ein Grund dankbar zu sein!

Aus dieser gesegneten Situation erkenne ich jedoch auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die nicht die Möglichkeiten haben, ihre Kinder bestmöglich zu versorgen.
Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil es meinen Kindern gut geht, aber ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn es mir egal wäre, dass es anderen Kindern schlecht geht!

Und solltest du zu den Menschen gehören, die meinen, man müsse solche Bilder ertragen oder wenn du solche Bilder als Erpressung oder Inszenierung betrachtest, dann höre jetzt bitte auf zu lesen. Für dich schreibe ich das nicht. Mit dir will ich nichts zu tun haben.

Wer jedoch ein Herz für Kinder hat, wer solche Bilder nicht ertragen will oder wer eine Verantwortung gegenüber diesen Kindern erkennt, dem möchte ich von Herzen danken. Als Vater bin ich dankbar für Jeden, der seine Augen nicht vor der Not dieser Kinder verschließt.
Denn es könnten auch meine Kinder sein, die Hilfe benötigen.

Und es ist auch egal, in welcher Rolle du gerade steckst; ob Gutmensch, besorgter Bürger, Außenstehender, Linker, Konservativer oder Protestwähler.
Während wir uns hier streiten, sterben woanders Kinder. Ist es das wert?
Sind wir in Deutschland nicht in der Lage, bei allen unterschiedlichen Meinungen, uns darauf zu einigen, dass der Schutz der Kinder, egal welcher Nationalität, an erster Stelle stehen sollte?

Natürlich denkst du zuerst an die Zukunft deiner eigenen Kinder. Das tue ich auch. Vielleicht hast du auch Angst, weil so viele Flüchtlinge ins Land kommen. Das ist in Ordnung. Lass uns darüber sprechen. Aber bitte, schiebe deine Kinder nicht als Argument vor, um anderen Kindern Hilfe zu verweigern.
Irgendwann werden auch unsere Kinder die Bilder sehen und Fragen stellen.
Und wir müssen dann antworten!

Lasst uns also aufhören, darüber zu diskutieren, ob man solche Bilder ertragen muss, oder nicht. Lasst uns damit anfangen, darüber zu reden, wie wir solche Bilder zukünftig vermeiden können!

 

Und mit Schießbefehlen, Obergrenzen, brennenden Heimen und blockierten Straßen ist keinem Kind geholfen. Es reicht auch nicht, kein Täter zu sein. Manchmal ist es einfach an der Zeit, das Schweigen zu beenden und den Mund aufzumachen. Unseren Kindern zuliebe.


Vergiss dein Gewissen!

Kennt ihr Peter? Laut Wikipedia ist das der häufigste deutsche Name. Peter ist also ein typischer Deutscher. Und wie fast allen Deutschen ist Peter kaum etwas wichtiger als sein gutes Gewissen. Was tut er nicht alles dafür, abends im Bett zu liegen und mit einem guten Gewissen einzuschlafen?

Gibt man in der Google-Bildersuche „Gutes Gewissen“ ein, findet man Bilder von fair gehandeltem Kaffee, Bioprodukten oder Bücher über nachhaltige Geldanlage. Das sind die Dinge, die auch Peter ein gutes Gefühl geben. Er treibt Sport, kauft Bioprodukte, ernährt sich vegan und trennt den Müll. Und er ist fest davon überzeugt, ein gutes Leben zu führen.

Um sein Gewissen zu beruhigen, fliegt Peter Co2-neutral, bringt das Pfand zurück und nutzt öffentliche Verkehrsmittel. Abends schläft er dann friedlich ein, mit reinem Gewissen. Wieso auch nicht? Peter arbeitet stets ordentlich, ist immer pünktlich und kauft nur chlorfreies Papier. Peter ist ein guter Deutscher. Und ein guter Deutscher hat ein gutes Gewissen.

Das Interessante ist aber, dass Peter hingegen kein schlechtes Gewissen hat, wenn er etwas Schlechtes tut.

Peter hat ein schlechtes Gewissen, wenn er im Geschäft eine Plastiktüte kauft, aber er hat kein schlechtes Gewissen, wenn er im Internet gegen Minderheiten hetzt.

Peter ist empört, wenn er im Wald Altreifen findet, aber dass jede zweite Ehe geschieden wird, stört ihn nicht.

Peter macht sich Sorgen über die Erdatmosphäre, aber nicht darüber, dass er durch seinen Hass die Atmosphäre in seinem Land vergiftet.

Peter macht sich Gedanken, um die Rechte blonder Frauen, aber wünscht rothaarigen linken Emanzen, dass sie mal so richtig vom Neger vergewaltigt werden.

Trotz Allem hält sich Peter für einen guter Menschen und hat ein reines Gewissen. Aus seiner Perspektive tut er nichts Falsches. Aus seiner Sicht heraus, macht er Alles richtig. Er hat ein gutes Gewissen.

Aber es spielt überhaupt keine Rolle, ob man ein gutes oder schlechtes Gewissen hat. Das ist völlig unwichtig. Wichtig ist, woran sich das Gewissen orientiert. Deine Weltanschauung und deine Werte entscheiden darüber, ob du ein guter Mensch bist. Deine Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft sollten dich nachts ruhig schlafen lassen, nicht dein Biogemüse.

Es gibt gute Menschen, die ein schlechtes Gewissen haben und schlechte Menschen mit einem guten Gewissen. Das hat nichts zu bedeuten. Vergiss dein Gewissen! Wichtig ist, was du tust – nicht, wie du dich dabei fühlst!

Bei aller Liebe zur Umwelt und zu den Tieren, aber es gibt in unserer Gesellschaft wichtigere Fragen, als Ernährung und Mülltrennung. Es ist besser, wenn du ein fettiges Schnitzel isst, aber dafür deine Beziehungen in Ordnung hast, als dass du für dein gutes Gewissen einen laktosefreien Sojajoghurt löffelst, aber Stress in deiner Familie hast. Du wirst kein besserer Mensch, weil du Einkaufstüten aus Papier kaufst, sondern weil du gut zu anderen Menschen bist. Wenn du um dein gutes Gewissen besorgt bist, dann geht es trotzdem nur um dich. Wenn du aber um andere Menschen besorgt bist, dann lebst du erfüllt. Unabhängig von deinem Gewissen.

Wenn du Co2-neutral leben willst, ist das ok. Aber verpasse nicht das, um was es wirklich geht. Und das hat nichts mit deiner Ernährung oder deinem Umweltschutz zu tun, sondern mit dem Zustand deines Herzens. Du kannst noch so viel für ein gutes Gewissen tun, aber wenn du Hass, Neid, Zorn oder sonstigen Mist in dir trägst, wirst du niemals besser leben.

 

Die gute Tat ist wichtiger, als das gute Gewissen. Handle gut, dann lebst du gut, dann bist du gut, dann schläfst du gut.


Wenn Worte Wirklichkeit werden

Der Mensch redet am Tag etwa 700mal. Dabei spricht er durchschnittlich 18.000 Wörter. Und wenn man manchen Leuten so zuhört, könnte man meinen, dass 18.000 Worte für manche Leute eindeutig zu viel sind. Manche reden einfach schneller, als sie denken können.
Nun werden neben den gesprochenen Worten auch viele Worte geschrieben. Heutzutage mehr digital, als mit Stift und Papier. Per Whattsapp, E-Mail oder auf Facebook. Und gerade auf Facebook zeigt sich ebenfalls das Phänomen, dass viele Mitbürger mit ihren Fingern schneller sind, als mit ihrem Kopf.

Das Gefährliche an den vielen Worten ist, dass wir mit jedem Wort, das wir sprechen oder schreiben, zu uns selbst predigen. Worte beeinflussen unser Leben. Was wir reden, hören wir. Was wir hören, glauben wir. Und was wir glauben, leben wir. Wir schaffen uns unsere eigene Wirklichkeit durch das, was wir sagen.
Beispiele dafür hören und lesen wir täglich: Lügenpresse, Meinungsdiktatur, Volksverräter - um nur einige zu nennen. Wenn ich nur oft genug von den „linksgrünen Gutmenschen“ spreche, werde ich irgendwann überall welche sehen. Mindestens einmal pro Woche werde ich von besorgten Mitbürgern so genannt, obwohl ich ein bürgerlich-konservativer CDU-Wähler bin. Es interessiert sie aber nicht, denn in ihrer Wirklichkeit bin ich ein linksgrüner Gutmensch, denn das predigen sie sich selbst schließlich seit Monaten. Wer nicht denkt, wie sie, ist ein linksgrüner Gutmensch. Das ist "Fakt".

Du (er)lebst heute das, was du dir gestern gesagt hast. Wenn du mit Worten bettelst, jammerst, lästerst oder hetzt, dann wirst du auch so ein Leben führen. Du wirst ein Bettler sein, ein Jammerlappen, eine Lästerbacke oder ein Hetzer.
Was wir sagen, ist das was wir glauben und was wir glauben, ist das was wir sagen!
Jeder Idiot kann sagen, was er sieht – wichtig ist aber, das auszusprechen, was du noch nicht siehst. Deine Worte bestimmen die Qualität deines Lebens. Wenn du negativ redest, wirst du negativ hören, negativ denken und schlussendlich negativ leben. Wenn du aber positiv redest, wird das dein Leben positiv beeinflussen.

Positive Worte beeinflussen die Qualität deiner Arbeit, deiner Beziehungen und sogar deiner Ehe. Es macht einen Unterschied, ob du morgens aufstehst und „in den Scheißladen zu den bekloppten Kollegen“ fährst, oder ob du positiv über deine Arbeit sprichst. Selbst wenn nicht alles perfekt ist. Deine Arbeit ist weder gut, noch schlecht – sie ist das, was du über sie aussagst.
Kaum eine zerstörte Ehe ging deshalb kaputt, weil der Partner spontan fremd ging oder sich plötzlich in jemand Anderen verliebte, sondern wegen Worten. Kaum eine Bank wurde je spontan überfallen, weil man zufällig den Revolver mit zur Bank genommen hat. Kaum eine Freundschaft ging in die Brüche, weil man sich einmal gestritten hat. Kaum ein Flüchtlingsheim wurde im Affekt angezündet, weil man sich im Vorbeifahren darüber geärgert hat. Am Anfang stehen immer Worte. Man predigt sich selbst, dass man seine Frau nicht mehr liebt, man weniger Geld hat, als man verdient hätte, die Freunde irgendwie nerven und die Flüchtlinge wieder gehen sollen.

Wer Gutes spricht, wird gut leben. Und wer gut lebt, wird Gutes tun. Ich kenne Leute, die in Armut leben, aber ein erfülltes Leben haben. Allerdings kenne ich auch Leute, die richtig viel Kohle haben, aber mit denen ich nicht tauschen wollte, weil sie so verbittert sind. Man führt das Leben, was man darüber ausspricht.

Und deswegen ist es wichtig, darauf zu achten, was man sagt. Achte darauf, mit wem du dich umgibst, was du dir anhörst. Lerne zu unterscheiden, welche Worte gut und welche schlecht sind. Führe Gespräche, wie du ein Hähnchen essen würdest. Niemand isst ein Hähnchen komplett, sondern man isst das leckere, saftige Fleisch. Die Knochen und Knorpel schmeißt man weg. Wenn du mit Leuten sprichst, oder im Internet liest, dann nimm das Gute, das Positive auf. Das, was dich stärkt, dich voranbringt. Und das Negative, die Hetze, den Hass, die Lügen, die lass liegen.

Vor Allem aber achte darauf, was du dir selbst predigst. Achte darauf, wie du über Menschen sprichst, denn so wirst du sie wahrnehmen. Deine Worte werden zu deiner Wirklichkeit. Und achte darauf, wie du über sich selbst sprichst. Deine Worte sind mächtiger, als deine Gedanken. Selbst wenn du manchmal mit dir haderst oder unzufrieden bist, dann predige dir selbst Mut zu. Du bist es wert, dass du gut über dich sprichst!

„Wenn man es schafft einen Menschen mit seinen Worten im Herzen zu berühren so wird man ihn vielleicht nicht von seinem Handeln abbringen, man wird jedoch in ihm einen Konflikt entfachen der stärker ist als jeder Hass.“ – Lisa Syrafe


Das zerbrochene Fenster

Im Jahre 1982 veröffentlichten George Kelling und James Wilson in der amerikanischen Zeitschrift „The Atlantic Monthly“ erstmals ihre Broken-Windows-Theory (Theorie der zerbrochenen Fenster).
Ein an sich harmloses Ereignis, wie etwa ein zerbrochenes Fenster, kann laut der Theorie der beiden Sozialforscher, zu der Verwahrlosung eines ganzen Stadtviertels führen. Die sichtbare Zerstörung legitimiert weiteren Vandalismus, bis hin zur völligen Zerstörung.

Dies geschieht in sechs Schritten:
1. sichtbarer physischer Verfall
2. fremde, ungebetene Personen tauchen auf und zeigen unerwünschtes Verhalten
3. die Anwohner reagieren besorgt und ängstlich
4. die Anwohner ziehen sich zurück, wodurch weniger Kontrolle stattfindet
5. dadurch geschehen noch mehr Straftaten, die Kriminalität nimmt zu
6. nun verlassen fast alle anständigen Bürger die Gegend, die soziale Stabilität nimmt immer mehr ab

Ein Beispiel: Ein zerbrochenes Fenster in einer leer stehenden Fabrikhalle signalisiert mangelnde Kontrolle und führt dazu, dass weitere Fenster eingeschlagen werden. Wird ein Fenster nicht repariert, nimmt wohl niemand Anstoß daran, dass es kaputt ist. Also scheint es auch nicht weiter schlimm zu sein, wenn man weitere Fenster zerstört. Die Halle kann so in kurzer Zeit völlig verwüstet werden. Dann wird sie zum Treffpunkt für Junkies. Irgendwann wird ein anderes unbewohntes Gebäude in der Nachbarschaft ebenfalls in Beschlag genommen. Nun sieht man immer öfter Drogensüchtige oder Dealer in der Gegend, die ersten Prostituierten laufen auf der Straße. Die Polizei fährt jetzt öfters Streife. Die Bürger sind verängstigt und die ersten Familien ziehen weg, weil die Kinder auf dem Weg zur Schule an der Fabrikhalle vorbei gehen mussten. Nach wenigen Jahren liegt der Wohnungsmarkt am Boden, niemand möchte mehr in das Viertel ziehen. Bis irgendwann jeder weiß, dass man die Gegend besser meidet. Aus der netten Wohngegend ist eine No-Go-Area geworden, wo sich anständige Leute eher ungern aufhalten.

Aufgrund der Broken-Windows-Theorie führte der New Yorker Polizeichef das „Zero-Tolerance-Model“ ein (Null-Toleranz-Modell). Gegen Bagatelldelikte oder kleine Ordnungswidrigkeiten sollte frühzeitig und rigoros vorgegangen werden. Diese Vorgehensweise zeigte schnell Erfolg. Die Anzahl der Straftaten verringerte sich um 75%, Raubüberfälle nahmen um 64% ab. Auch erlang man die Kontrolle über einstige No-Go-Areas wie die U-Bahn, oder den Central Park zurück.

Ich finde diese Theorie sehr interessant und habe sie mal auf andere Lebensbereiche übertragen. So kann man die Broken-Windows-Theorie beispielsweise auf das Internet übertragen.

Früher trafen sich normale Bürger in Foren, Kommentarspalten oder Facebook-Gruppen, um über Gott und die Welt zu diskutieren. Fußball, das Wetter, lokale Ereignisse oder Katzenvideos bestimmten den friedlichen Internet-Alltag. Dann kamen die ersten Flüchtlinge und plötzlich tauchte unter den Kommentaren auf der Nachrichtenseite das erste zerbrochene Fenster auf, in Form eines Hasskommentares.

Leider wurde nicht sofort reagiert. Ein kaputtes Fenster, damit kann man doch leben. Aber es bleib nicht bei dem Einen. Es kamen immer mehr ungebetene Gäste und zeigten unerwünschtes Verhalten. Nun las man nicht nur immer öfter hasserfüllte Kommentare, sondern es wurden auch vermehrt Artikel von Compact, Netzplant oder vom Kopp-Verlag geteilt. Die ersten anständigen User fühlten sich nun belästigt, zogen auf andere Seiten um oder nutzen die Blockier-Funktion. Dadurch verschwanden die Chaoten aber nicht, man sah sich nur nicht mehr.
Weil es aber keine ausreichende Kontrolle gab, machten sich immer mehr Hetzer breit. Bei Facebook kann man melden, soviel man will; nur in den seltensten Fällen verstößt es gegen die „Gemeinschafts-Standards. Focus Online moderiert gar nicht, Hetzer haben hier freie Fahrt. Mit Pegida oder AfD-Seiten will ich erst gar nicht anfangen. Das lockt natürlich immer mehr Wutbürger an, bis auch der letzte anständige User keine Lust mehr auf diese hasserfüllten und fehlerbehafteten Kommentare hat.

Was wir brauchen ist ein Zero-Tolerance-Strategie! Wir müssen den Hetzern, den Lügnern und den Rechtschreib-Prolls zeigen, dass sie nicht willkommen sind. Wir müssen wie die New Yorker Polizei gegen jedes verbale Vergehen rigoros und frühzeitig vorgehen. Wenn wir die zerstörten Scheiben ignorieren, gehört ihnen bald das ganze Viertel. Daher sollten wir nicht wegsehen, nicht blockieren oder löschen, sondern wir sollten auf Konfrontationskurs gehen. Wir sollten ihnen zeigen, dass die Gegend nicht ihnen gehört und dass noch Kontrolle stattfindet.
Und nicht nur im Netz, sondern morgens beim Bäcker, auf der Arbeit, in der Bahn oder auf dem Elternabend. Wer hetzt, wer lügt, wer lästert, der sollte Bekanntschaft machen mit unserer Null-Toleranz-Strategie machen.

Hass macht hässlich – und ich habe keine Lust darauf, in einer hässlichen Umgebung zu wohnen oder zu surfen. Also lasst uns aufräumen, Fenster ersetzen, kontrollieren und ungebetene Gäste vertreiben! Keine Chance den Hetzern!


German Angst

Fragt man im Ausland, wofür Deutsche bekannt sind, wird eine mögliche Antwort sein, dass wir tolle Autos bauen und guten Fußball spielen. Oder für die berühmte deutsche Pünktlichkeit und Ordnung. Würstchen und Schnitzel nicht zu vergessen und natürlich deutsches Bier.

Vielleicht ist die Antwort aber auch ´Angst`. Denn auch dafür sind wir bekannt. Für unsere Angst vor Fremden, vor Terrorismus, sinkendem Lebensstandard, Einsamkeit, Chem-Trails, vor dem Älterwerden und manchmal auch die Angst vor uns selbst.

Vor allem aber die Angst vor Ungerechtigkeit. Die Angst, dass ein Flüchtling mehr bekommt, als man selbst. Die Angst, dass Politiker mit ihren Entscheidungen andere bevorzugen. Die Angst zu kurz zu kommen. Oft frage ich mich, woher diese Angst kommt. Ich glaube es liegt am mangelnden Selbstwertgefühl. Man empfindet sich selber als nicht vollwertiges oder beachtetes Mitglied der Gesellschaft. Man fühlt sich an den Rand gedrängt, weil man nicht das Leben führt, was man gerne führen würde. Man ist frustriert, weil man nicht das bekommt, was einem zustehen sollte.

Also fängt man an sich mit anderen zu vergleichen. Und plötzlich sieht man nur noch, was der andere hat und einem selber fehlt. Und vergisst dabei, was man in Wirklichkeit alles schon hat und dass das Leben viel wertvoller wäre, wenn es sich nicht immer nur um einen selbst drehen würde.

Ich kenne Niemanden, der sich für andere einsetzt und unzufrieden ist. Wer den Wert anderer Menschen steigert, steigert auch seinen eigenen Wert. Und nicht nur seinen Selbstwert, sondern auch seinen Wert für die Gesellschaft. Dann steht man nicht mehr nur frustriert am Rand, sondern ist ein wertvoller Teil der Gesellschaft. Dann verschwinden auch Neid, Missgunst und die Angst vor Ungerechtigkeit.

Dreht man sich aber nur um sich selbst und seine Bedürfnisse, steigert das nicht den Selbstwert, sondern die Sorgen und Ängste. Und was macht man dann? Dann sucht man die Schuld bei anderen. Bei den Politikern, bei den Reichen, bei den Flüchtlingen, bei den Gutmenschen oder bei den Medien. Denn sie sind scheinbar der Grund dafür, dass man unzufrieden und frustriert ist. So werden aus den Politikern halt abwertend „die da oben“, aus den Unternehmern werden Heuschrecken und aus Flüchtlingen Sozialschmarotzer. Gutmenschen werden dann zu linksgrünversifften Altachtundsechzigern und Medien zur Lügenpresse. Anstatt an sich selbst zu arbeiten und seine Angst in etwas Positives umzuwandeln,  sieht man sich selber im Recht und alle anderen als Bedrohung. Folglich hat man auch das Recht, die Anderen zu beschimpfen und zu beleidigen.

Und da man sich in der Gruppe immer noch am besten sorgt, sucht man sich Gleichgesinnte. Man sucht Rat bei denen, die die eigenen Ängste scheinbar so gut verstehen oder sogar teilen.

Also geht man zur AfD, Pegida oder NPD. Denn die verstehen einen. Die kennen die Ängste und nutzen sie geschickt, um Leute zu ziehen und an sich zu binden. Wer genau hinschaut, bemerkt, dass alles bei denen auf Angst aufbaut. Angst vor der Islamisierung, dem Euro, Einwanderung, Bevormundung, Banken, Regierung, Europa und natürlich vor Ungerechtigkeit.

Aber wollen wir wirklich Politiker, die uns erzählen, wovor wir Angst haben sollen? Wollen wir Politiker, die unseren Selbstwert nicht steigern, sondern uns sogar darin bestätigen, dass andere angeblich wertvoller sind? Ich nicht!

Aber was ist die Alternative zur Alternative für Deutschland? Wie können wir die Menschen zurückgewinnen aus den Händen der Angstmacher?

Indem wir ihnen die Angst nehmen. Die Angst ungerecht behandelt zu werden. Die Angst, weniger wert zu sein, als andere. Flüchtlinge sind nicht mehr wert, als Rentner oder HartzIV-Empfänger. Sie sind aber auch nicht weniger wert. Und Gerechtigkeit ist tatsächlich manchmal relativ. Es gibt Situationen, in dem der Eine auf mehr Hilfe angewiesen ist, als der Andere – und das hat nichts mit Ungerechtigkeit zu tun.

Ist es gerecht, dass ein Flüchtling Geld vom Staat bekommt, ohne vorher Steuern gezahlt zu haben? Ist es gerecht, dass Deutschland so viele Menschen aufnimmt, während andere Länder ihre Grenzen dicht machen? Ist es gerecht, dass ein Bus zwischen dem entlegenen Flüchtlingsheim und dem Supermarkt in der nächsten Stadt pendelt, indem nur Flüchtlinge mitfahren dürfen, aber keine deutschen Rentner? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Sicher ist aber, dass kein Deutscher deswegen weniger wert ist oder vom Staat weniger geschätzt wird. Aber wie soll man es Allen Recht machen? Das ist unmöglich.

Der Staat ist nicht dafür verantwortlich, dass man zufrieden ist. Zufriedenheit kann nur von innen kommen, nicht von außen. Wer unter den „Altparteien“ nicht zufrieden war, wird es auch unter der AfD nicht sein. Ganz im Gegenteil.

Vielleicht sollten wir mehr auf das schauen, was wir haben, statt auf das, was uns fehlt. Vielleicht sollten wir uns öfter bewusst machen, dass für uns selbstverständlich ist, wovon viele Geflüchtete träumen.

Man wird nicht glücklicher, nur weil es einem anderen schlechter geht. Man lebt nicht zufriedener, nur weil man Leute hinter einem Zaun aussperrt. Man wird nicht wertvoller, weil man mehr Geld bekommt, als ein Asylbewerber. Man lebt nicht befreiter, nur weil andere auch Angst haben.

Will man ein zufriedeneres, glücklicheres und angstfreies Leben führen, sollte man nicht auf die hören, die selber unzufrieden, unglücklich und ängstlich sind. Man sollte lieber Gutes tun, sich für andere engagieren und einen Sinn im Leben finden.  Wer will schon ein Angstmensch sein?

„Ihm wurde klar, dass diese ganze Nation von der Seuche einer ständigen Furcht infiziert war: gleichsam von einer schleichenden Paralyse, die alle menschlichen Beziehungen verzerrte und zugrunde richtete. Der Druck eines ununterbrochenen schändlichen Zwanges hatte dieses ganze Volk in angstvoll-bösartiger Heimlichtuerei verstummen lassen, bis es durch Selbstvergiftung in eine seelische Fäulnis übergegangen war, von der es nicht zu heilen und nicht zu befreien war.“

Thomas Wolfe: Es führt kein Weg zurück

 

„Wenn der Deutsche beginnt, Angst zu haben, wenn sich ihm die geheimnisvolle deutsche Angst ins Gebein schleicht, dann erst erregt er Schrecken und Mitgefühl. […] Und gerade dann wird der Deutsche gefährlich.“

 

Curzio Malaparte: Kaputt


Die Geschichte eines Patrioten

Heute erzähle ich euch die Geschichte von Werner. Werner ist ein Patriot. Er liebt sein Land und die Leute, die darin leben. Er ist ein netter älterer Herr, sein Kopf wird langsam kahl, aber die kurzen grauen Koteletten trägt er mit Stolz. Seine Nachbarn mögen ihn, seine Kinder lieben ihn und seine ehemaligen Kollegen schätzen ihn als zuverlässigen und fleißigen Mitarbeiter. Werner ist jetzt 70 und arbeitet nicht mehr. Viele Jahre hat er im Büro einer Düngemittelfabrik gearbeitet. Die gibt es heute nicht mehr, so wie es viele andere Firmen auch nicht mehr gibt. So ist das halt heutzutage in dieser Gegend. Heute ist halt alles anders, als früher. Da war es irgendwie besser, aber das sagen ja alle.

Werner ist in einem kleinen Ort in der Nähe von Magdeburg aufgewachsen, dort hat er seine Frau kennengelernt, gearbeitet und seine Kinder groß gezogen. Hier wollte er auch seinen Lebensabend verbringen, doch dann kam alles anders!

Dann kamen die Fremden. Sie kamen ohne Vorwarnung und machten sich dort breit, wo doch eigentlich er und seine Familie zu Hause sind. Sie kamen aus dem Irak, Afghanistan oder Syrien. Und sie kamen nicht als Freunde, sondern als Invasoren. Plötzlich war Werner fremd im eigenen Land. Ja, sogar fremd in seinem Dorf, seiner Heimat. Seine Kinder hatten die Gegend schon verlassen, waren weggezogen, um in der Ferne zu studieren. Es tröstete ihn, dass sie nicht mit ansehen mussten, wie ihr schönes Dorf regelrecht überrannt wurde. Aber trotzdem war der Schmerz groß.

Was sollte er bloß tun? Er kannte doch nichts anders, als seine Heimat. Der Ort, wo die Bäume stehen, deren Früchte er als Kind mit seinen Freunden auflas, der Ort, an dem seine Eltern begraben liegen, der Ort, an dem auch er begraben werden wollte.
Doch jetzt fühlt er sich hier nicht mehr wohl. Zuviel hat sich geändert. Er lebt in ständiger Angst. Seine Frau traut sich nicht mehr auf die Straße. So viele Geschichten hat man gehört, so viel in den Nachrichten gesehen.
Früher hörte man in den Straßen die Kinder spielen. Heute hört man Männer auf arabisch schimpfen. Früher trafen sich die Frauen zu Kaffee und Tee, heute bleiben sie lieber zuhause. Früher ging man Sonntags in die Kirche, die ist mittlerweile geschlossen. Aber was soll er tun? Seiner Heimat den Rücken kehren? Obwohl er diesen Ort, diese Gegend, dieses Land doch so sehr liebt? Er ist doch ein Patriot!

Aber er ging fort. Zusammen mit seiner Frau packte er seine Sachen und verließ seine Heimat, um bei seinen Kindern zu sein. Dies war ein schwerer Weg, der schwerste seines Lebens. Aber es gab keine andere Möglichkeit mehr. Als Christ war in seiner alten Heimat kein Platz mehr für ihn.

Diese Geschichte ist nicht erfunden, sondern hat sich ziemlich genau so ereignet. Allerdings heißt Werner in Wahrheit Salomo und kommt nicht aus der Nähe von Magdeburg, sondern aus der Nähe von Homs in Syrien.

Salomo hat mit seiner Frau sein geliebtes Syrien verlassen, weil dieser Ort, der seine Heimat war, nicht mehr existiert. Er ist nur noch eine Erinnerung, ein Traum, eine Hoffnung. Und er hat sein Land verlassen, weil die Liebe zu seinen Kindern größer ist, als die Liebe zu seinem Land. Und weil er dort nicht mehr sicher war, inmitten des Kriegs.

Jetzt lebt er in Deutschland. Hier ist er in Sicherheit, lebt bei seiner Familie, aber trotzdem ist er hier fremd. Ein Patriot im fremden Land. Und oft denkt er zurück an die alte Heimat. So wie letzten November, während der Olivenernte. Zuhause in Syrien gingen sie dann gemeinsam auf die Felder, singend und lachend und sammelten die Oliven. Die brachten sie dann zur Mühle, um Öl daraus zu pressen. Diese Mühle wird er wohl nicht mehr sehen, die Nachbarn aus dem Dorf wohl auch nicht. Hier in Deutschland gibt es so viel Olivenöl, im Supermarkt stehen ganze Regale voll damit. Aber keines schmeckt wie das selbstgepresste Öl von Zuhause.

Vor ein paar Tagen begleitete Salomo seinen Sohn in ein großes Gartencenter. Als sich sein Sohn nach ihm umdrehte, sah er, wie Salomo einen Olivenbaum umarmte. Eigentlich umarmte er nicht nur einen Baum, sondern seine alte Heimat. Dieser Baum steht heute bei Salomo in der Wohnung. Er sah nicht gesund aus, Salomo kümmert sich nun um ihn, damit ein prächtiger Olivenbaum aus ihm wird. Ich denke, dass es ihm gelingen wird. Junge Bäume lassen sich gut verpflanzen. Alte nicht mehr, so sagt man. Das weiß auch Salomo. Wenn man mal so richtig Wurzeln geschlagen hat, geht das nicht ohne Schmerzen. Und diese Schmerzen kennt Salomo. Seine Frau auch. Beide sind dankbar, dass man sie hier so liebevoll aufgenommen hat. Sie sind jetzt bei ihrer Familie, haben neue Freunde gefunden, eine neue Wohnung. Aber keine neue Heimat – das wird für immer Syrien bleiben. Salomos Frau erzählt manchmal, dass sie unendlich traurig ist. Wer wäre das nicht?

Salomo spricht nicht gerne über den Tod. Dort wo er herkommt, macht das niemand gerne. Aber er möchte, wenn er zurück zu seinem Herrn geht, in Syrien begraben werden. Zuhause.

 

Ich hoffe, dass sein Wunsch in Erfüllung geht. Ich hoffe, dass er seine Heimat noch einmal sehen kann, dass er noch einmal durch die Straßen seines Dorfes gehen kann, den Geruch der Felder riechen kann und den warmen Wind in seinem Gesicht spüren kann.
Und ich wünsche mir, dass wir mehr solcher Patrioten in unserem Land haben. Denn Salomo ist ein wahrer Patriot und macht seinem Land alle Ehre. Nicht wie unsere Patrioten, die Leute wie Salomo hier keine Zukunft bieten wollen. Ihn als Sozialschmarotzer beschimpfen oder Angst davor haben, dass er ihre Kultur zerstört. Menschen wie Salomo sind eine Bereicherung für unser Land. Wenn ich seine Geschichte höre, dann erinnere ich mich daran, wie dankbar ich sein kann, in einem Land wie Deutschland zu leben. Wir haben hier Alles, aber sehen es nicht. Wir haben Frieden, Freiheit, Gesetze, Sozialsysteme, Freunde und Familie – und trotzdem fühlen sich Manche hier fremd im eigenen Land. Und dann gibt es Menschen wie Salomo, die in einem Olivenbaum ein Stück Heimat sehen. Salomo ist ein wahrer Patriot. So wie viele andere Menschen auch, die ihre Heimat verlassen mussten. Bringen wir ihnen den Respekt entgegen, den sie verdient haben!